War es der Schmied oder doch der Schuhmacher?
Neben der offenen Grenze ist die Verwendung des Schweizer Frankens als Zahlungsmittel in Liechtenstein wohl das beste Beispiel für die enge Anbindung Liechtensteins an die Schweiz. Zeitlich fallen die Öffnung der liechtensteinischen Grenze und die gesetzliche Einführung des Schweizer Frankens in Liechtenstein mehr oder weniger zusammen.
Seit dem Mittelalter waren im heute liechtensteinischen Raum verschiedenste Währungen und Münzsorten im Umauf, zumal sich hier mehrere Handelswege kreuzten. Eine einheitliche Landeswährung erhielt Liechtenstein erst mit der gesetzlichen Einführung der österreichischen Guldenwährung 1859. Die geldwirtschaftliche Abhängigkeit von Österreich stellte die liechtensteinische Wirtschaft jedoch wiederholt vor grosse Herausforderungen. Ein Beispiel hierfür sind die sogenannten Münzwirren. Da der österreichische Silbergulden stark an Wert verloren hatte, führte der Landtag 1876 die Goldwährung und damit faktisch den Schweizer Franken als gesetzliches Zahlungsmittel ein. Dies führte zu so heftigen Spannungen zwischen den Bewohnern des Oberlandes und des Unterlandes, dass Fürst Johann II. den Landtag auflöste und das Münzgesetz mittels Notverordnung ausser Kraft setzte. Liechtenstein blieb in der Folge beim österreichischen Silbergulden.
Kroneninflation
Während die politische Krise rund um die Münzwirren relativ rasch gelöst werden konnte, zog sich die parallel entstandene Finanzkrise noch viele Jahre hin. Erst mit dem im Jahr 1898 erfolgten Übergang zu der in Österreich-Ungarn von 1892 bis 1898 eingeführten Krone (Goldwährung) geriet die Währungsfrage aus dem Fokus. Die nächste Krise kam jedoch schon bald in Form der Kroneninflation. Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die österreichische Krone etwa gleich viel wert wie der Schweizer Franken. Bis Kriegsende sank der Wert jedoch bereits auf etwa 30 Franken für 100 Kronen. Die militärische Niederlage Österreichs und die damit verbundenen Folgekosten liessen den Wert der Krone ab 1918 ins Bodenlose sinken. Die Währungsfrage beschäftigte fortan Politik und Öffentlichkeit stark. Es wurden verschiedene Gutachten bei Finanzexperten in der Schweiz und Österreich eingeholt. Diese widersprachen sich jedoch teils diametral, weshalb sich keine klare Lösung abzeichnete. Im Frühling 1920 waren die Vorarbeiten für die Einführung liechtensteinischer Frankennoten schon so weit vorangekommen, dass der Druckauftrag erteilt wurde. Er wurde jedoch im September 1920 eingestellt – einerseits, weil sich der Schweizer Franken im Alltag als Währung durchsetzte, und andererseits, weil klar wurde, dass Liechtenstein für eine eigene Währung schlicht zu klein war.
Erste Schritte zur Einführung des Frankens
Im Januar 1920 wurde zur Behebung des Kleingeldmangels durch fürstliche Verordnung sogenanntes Notgeld in Verkehr gesetzt. Die Gutscheine zu 10, 20 und 50 Heller waren nur in Liechtenstein gültig, erlangten in der Praxis aber nie grosse Bedeutung. Wie herausfordernd die Währungsfrage war, veranschaulicht die im März 1920 durchgeführte Zählung des österreichischen Notengelds zur Feststellung der im Land vorhandenen Geldmenge. Von der Bekanntgabe der Notenzählung bis zu deren Abschluss wurden gar die Grenzen zu Österreich und der Schweiz gesperrt. Ein entscheidender Schritt zur Einführung des Schweizer Frankes war das am 27. August 1920 vom Landtag einstimmig erlassene Gesetz betreffend die Umwandlung der für Steuern, Stempel, Taxen, Gebühren und Strafen festgesetzten Kronenbeiträge in Schweizer Franken. Fortan konnte auch der Staat Franken einnehmen und in Franken abrechnen. Die Landesrechnung wurde schon ab 1919 auch und ab 1922 ausschliesslich in Frankenwährung geführt. Weitere Wegmarken hin zum Schweizer Franken waren der Postvertrag mit der Schweiz von 1920 und die Ausgabe liechtensteinischer Briefmarken in Frankenwährung ab 1921. Der 1923 abgeschlossene Zollanschlussvertrag mit der Schweiz fixierte die Schweizer Währung als Abrechnungsgrundlage. Die formelle Einführung des Schweizer Frankens als gesetzliches Zahlungsmittel in Liechtenstein durch den Landtag erfolgte im April 1924.
Der Schmied aus Balzers
Doch was hat dies alles nun mit einem Schmied aus Balzers zu tun? In einer Debatte des schweizerischen Nationalrats über den Zollanschlussvertrag mit Liechtenstein schilderte der Präsident der Zolltarifkommission, wie man ihm in Liechtenstein die Einführung des Schweizer Frankens erklärt habe: «Eines Morgens habe der Schmied in Balzers seinen Kunden, den Bauern, erklärt, dass er ihre Werkzeuge nur mehr spitze, wenn sie ihm den Lohn in Frankenwährung auszahlten. Die Bevölkerung habe das einen Tag lang nicht wollen. Da habe ihnen der Schmied erklärt, dann liege er unter seinen Birnbaum im Lande draussen und warte, bis die Herrschaften kommen. Am andern Tag seien sie gekommen und hätten sich bereit erklärt, ihm aber nun die Gegenbedingung gestellt, dann müsse auch er ihnen ihre Produkte in Schweizerwährung zahlen. Das sei dann geschehen, und in ganz kurzer Zeit hätten sich diese Verhältnisse über das ganze Ländchen verbreitet. Letzten Endes sei es die Regierung gewesen, die dann nachgehinkt sei.»
Konkrete Hinweise für die Verwendung des Frankens als Zahlungsmittel durch das liechtensteinische Gewerbe finden sich ab 1918. So teilten die Schuhmacher der Regierung mit, dass sie für das Leder vielfach in Franken zahlen müssten und deshalb von ihren Kunden die Bezahlung in Franken verlangten. Dies wurde von offizieller Seite offenbar nicht gerne gesehen. In ihrem Schreiben protestierten die Schuhmacher nämlich dagegen, dass die Gemeinde Vaduz ihnen keine Lebensmittel mehr zuteilte, wenn sie ihre Schuhe nicht für Kronen verkauften. Ob Schmied oder Schuhmacher: Fest steht, dass die faktische Einführung des Schweizer Frankens durch die Bevölkerung und vor allem durch das Gewerbe lange vor der gesetzlichen Einführung erfolgt war. Die Leidtragenden dieses Umstandes waren diejenigen Gruppen, die ihr Gehalt in Kronen ausbezahlt erhielten – Beamte, Lehrer, Geistliche, Arbeiter –, aber in Franken für ihren Lebensunterhalt aufkommen mussten.
Währungsunion mit der Schweiz
Zwar galt der Schweizer Franken ab April 1924 als gesetzliches Zahlungsmittel in Liechtenstein. Ein Währungsvertrag mit der Schweiz wurde aber erst 1980 abgeschlossen. Auf liechtensteinischer Seite bestand ein Interesse an mehr Rechtssicherheit. Das Fehlen eines eigentlichen Währungsvertrags führte nämlich dazu, dass die Schweiz liechtensteinische Unternehmen und Private wie übrige Ausländer behandelte und Liechtenstein zum Devisenausland erklärte, als sie 1964 und 1971 besondere Massnahmen zum Schutz des Schweizer Frankens ergriff. Die Initiative auf Abschluss des Vertrages ging dann aber letztlich von der Schweizerischen Nationalbank aus. Sie wollte, dass das einschlägige Schweizer Recht auch in Liechtenstein Gültigkeit erlangte und durch schweizerische Behörden angewendet werden konnte.
Mit dem Währungsvertrag wurde Liechtenstein unter grundsätzlicher Wahrung seiner Währungshoheit formell in das Währungsgebiet der Schweiz eingeschlossen. Die Einführung des Schweizer Frankens in Liechtenstein bleibt eine Erfolgsgeschichte und der Schweizer Franken ist aus Liechtenstein aktuell nicht wegzudenken.
Diese Abbildungen zeigen zwei von Liechtenstein geprägte Münzen. Beide Münzen sind äusserlich nahezu identisch – jedoch handelt es sich beim Exemplar auf der linken Seite um eine 5-Kronen-Münze und beim rechten Exemplar um eine 5-Franken-Münze. Die 1924 von Liechtenstein geprägten Frankenmünzen waren nur in Liechtenstein und im benachbarten Schweizer Raum Maienfeld–Sennwald als Zahlungsmittel zugelassen. Sie wurden 1930/1931 wieder aus dem Verkehr gezogen. (Privatarchiv Rupert Quaderer, Schaan)