Überblick 100 Jahre Zollvertrag Schweiz–Liechtenstein
Die erste Seite der Schweizer Ratifikationsurkunde zum Zollvertrag, der Liechtenstein ab dem 1. Januar 1924 an das schweizerische Zollgebiet anschliesst. (Bild: Liechtensteinisches Landesarchiv, LI LA SgSTV, 0038/01/001)
Liechtenstein und die Schweiz unterzeichneten am 29. März 1923 den Vertrag über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet. Damit wurden die beiden Länder ab dem 1. Januar 1924 zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum.
Der Zollanschlussvertrag, der Einfachheit halber schon bald «Zollvertrag» genannt, hatte weitreichende Folgen für Liechtenstein. Liechtenstein war fortan dazu verpflichtet, die zollrelevante schweizerische Gesetzgebung zu übernehmen und verzichtete damit auf einen Teil seiner Souveränität. Die von der Schweiz mit Drittstaaten abgeschlossenen Handels- und Zollverträge gelten seither auch für Liechtenstein.
Zu Beginn der 1920er-Jahre hatte Liechtenstein schwierige Jahre hinter sich. Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges hatten Liechtenstein durch die über den Zollvertrag von 1852 mit Österreich bestehenden engen Verbindungen wirtschaftlich hart getroffen. 1919 kündigte Liechtenstein den Zollvertrag mit Österreich und beschloss gleichzeitig, sich um einen Vertrag mit der Schweiz zu bemühen.
Mit Erfolg. Die Schweiz hatte auf ein solches Gesuch Liechtensteins um einen Zollanschluss nicht gewartet. Nach langen Verhandlungen, in denen sowohl in der Schweiz wie auch in Liechtenstein das Für und Wider eines solchen Vertrags eingehend diskutiert worden waren, unterzeichneten die Schweiz und Liechtenstein vor hundert Jahren den Zollvertrag. Trotz seiner grossen Bedeutung erfuhr der Zollvertrag in diesen hundert Jahren nur wenige Anpassungen, so vor allem im Hinblick auf Liechtensteins Weg in die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) und den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).
Die Auswirkungen des Zollvertrags sind viel grösser, als es sein Name vermuten lässt. Zur Anwendung kommen nicht nur die schweizerische Zollgesetzgebung, sondern auch Bestimmungen der gesamten Bundesgesetzgebung, «soweit der Zollanschluss ihre Anwendung bedingt» (Art. 4 ZV). Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum bedingt gemeinsame Regeln, die nicht nur den Warenverkehr betreffen. Aktuell sind über 400 Erlasse sowie knapp 400 Verträge ganz oder teilweise in Liechtenstein anwendbar.
Das 100-Jahr-Jubiläum ist 2023 der Anlass, der langjährigen Verbindung zur Schweiz zu gedenken und diese zu würdigen. In dieser Broschüre finden sich deshalb Momente der schweizerisch-liechtensteinischen Beziehungsgeschichte. Mit dem Zollvertrag haben die Schweiz und Liechtenstein vor 100 Jahren den Grundstein für eine Beziehung gelegt, die heute sehr viele Lebensbereiche betrifft und die die beiden Länder – auch durch zahlreiche weitere Verträge wie zum Beispiel den Währungsvertrag – eng miteinander verbindet.