Jubiläumsfeierlichkeiten
Die Unterzeichnung des Zollvertrags jährt sich im Jahr 2023 zum 100. Mal. Beide Länder haben seit dem Inkrafttreten des Vertragswerks im Jahr 1924 voneinander profitiert. Die Jubiläen zur Würdigung nahmen in Liechtenstein in der Vergangenheit deshalb auch eine wichtige Funktion in der Beziehungspflege zur Schweiz ein.

Schon zehn Jahre nach der Vertragsunterzeichnung begannen vor allem die Liechtensteiner Zeitungen damit, den Zollvertrag zu würdigen. In grösserem Stil feierte die liechtensteinische Regierung das 50-Jahr- sowie das 75-Jahr-Zollvertragsjubiläum. Gedenkschriften und weitere Publikationen entstanden, eine Ausstellung im Liechtensteinischen Landesmuseum (1973) sowie Empfänge auf Schloss Vaduz und Feierlichkeiten in Liechtenstein und der liechtensteinischen Botschaft in Bern rundeten die Jubiläumsjahre 1973 und 1998 ab. Während die Zollvertragsjubiläen aus liechtensteinischer Sicht wichtige Ereignisse der Selbstvergewisserung darstellten und dies heute noch tun, waren und sind sie aus Schweizer Sicht weniger relevant.
In Liechtenstein war und ist man sich einig: Der Zollanschluss an die Schweiz hat die wirtschaftliche Entwicklung Liechtensteins gefördert. Das ist keine Erkenntnis der heutigen Zeit, sondern wurde von den damaligen Zeitgenossen schon anlässlich des 10-Jahr-Zollvertragsjubiläums 1933 so gesehen. Die der Schweiz zu verdankende günstige wirtschaftliche Entwicklung Liechtensteins kam an den Jubiläumsfeierlichkeiten stets zur Sprache. An den Jubiläumsfeierlichkeiten – und dies ganz besonders in den offiziellen Reden von Fürst, Regierungschef und Landtagspräsident – dankte Liechtenstein der Schweiz und festigte damit die Botschaft, dass der wirtschaftliche Erfolg Liechtensteins zu einem grossen Teil dem Zollvertrag mit der Schweiz geschuldet sei. Fürst Franz Josef II. sagte denn anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums im März 1973 auch, dass die Tatsache, dass Liechtenstein zu den prozentual am höchsten industrialisierten Ländern gehörte, «im gleichen Masse der Tüchtigkeit der Liechtensteiner, wie dem Wirtschafts- und Zollvertrag mit der Schweiz zu verdanken» sei. Den liechtensteinischen Dank hat die Schweiz anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten stets gerne angenommen, hat mit den Jahren aber zunehmend auch die mit dem Zollanschluss für die Schweiz entstandenen positiven Effekte hervorgehoben.

Gerade die «freundnachbarschaftlichen» Beziehungen wurden anlässlich der Zollvertragsjubiläen von beiden Ländern immer wieder hervorgehoben. Schon seit dem 25-Jahr-Jubiläum war von «echter Freundschaft» und der «Zollverbrüderung» zwischen den beiden Staaten die Rede. Von Liechtenstein aus wurde das Bild des grossherzigen Bruders eingeführt und geprägt. Die schweizerisch-liechtensteinischen Beziehungen wurden als Vorbild dafür präsentiert, wie ein stärkerer und grösserer Staat auf ein schwächeres und kleineres Land Rücksicht nehmen könne. Erbprinz Hans-Adam ging 1973 so weit, dass er auf das Bild Liechtensteins als eines kleinen Kindes zurückgriff, das Schutz beim grossen und erwachsenen Bruder Schweiz suche. Er sprach davon, dass der Zollvertrag nicht als Ergebnis liechtensteinischen Verhandlungsgeschicks, sondern als Grossmut der Schweiz reflektiert werden müsse.
In den vergangenen fünfzig Jahren hat sich Liechtenstein zunehmend von diesem Bild emanzipiert. Das partnerschaftliche Verhältnis zur Schweiz hat sich dementsprechend verändert. Gerade in der erstarkten direkten Integration Liechtensteins in Europa zeigt sich dies. Die Dauerhaftigkeit und vor allem der auch weiterhin in die Zukunft weisende Charakter des Zollvertrags wurden dabei aber nie infrage gestellt. Ein Liechtenstein ohne die wirtschaftliche Anbindung an die Schweiz ist heute kaum mehr vorstellbar.
Trotz der in den vergangenen 100 Jahren in den Beziehungen mehrfach aufgetretenen konflikthaften Situationen waren sich die Schweiz und Liechtenstein anlässlich der Jubiläen stets einig: Mit der Schweiz ist Liechtenstein in den vergangenen 100 Jahren gut gefahren.
Literatur
Sochin-D’Elia, Die liechtensteinisch-schweizerischen Beziehungen im Spiegel der Zollvertragsjubiläen, 2017.