Eine neue Zollgrenze
Um 1800 verlegte Liechtenstein, einem europäischen Trend folgend, langsam und verspätet die Zollstationen vom Landesinneren an die Landesgrenzen. Die vollständige Einführung dieses Grenzzollsystems erfolgte mit Abschluss des österreichisch-liechtensteinischen Zollvertrags von 1852.
Als Teil des Zollgebietes der Habsburgermonarchie wurden die liechtensteinischen Grenzen ab 1852 von österreichischen Finanzbeamten kontrolliert. Diese sogenannten «Finanzer» trugen österreichische Uniformen mit liechtensteinischem Hoheitszeichen. Sie waren der k. u. k. Bezirksverwaltung in Feldkirch unterstellt, mussten aber auch gegenüber dem Fürsten von Liechtenstein einen Treueeid ablegen. Die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner hatten ein angespanntes Verhältnis zu den Finanzwachleuten. Häufiger Konfliktpunkt zwischen der österreichischen Finanzwache und der liechtensteinischen Bevölkerung war dabei das gerade im Ersten Weltkrieg weit verbreitete Schmuggelwesen.
Nach der Kündigung des österreichisch-liechtensteinischen Zollvertrags 1919 hatte Liechtenstein die Bewachung seiner Grenzen selbst zu besorgen. Der liechtensteinischen Grenzwache gehörten rund 30 Liechtensteiner an. Ausgestattet mit einer Armbinde als vorübergehender Uniform traten sie Anfang Oktober 1919 ihren Dienst an. Die Grenzwache gab es bis Ende 1923. Sie kontrollierte den Waren- und Personenverkehr an den Grenzübergängen bei Schaanwald-Tisis, Ruggell-Nofels und Balzers-St. Luzisteig, bei den Rheinbrücken Bendern, Schaan, Vaduz und Balzers sowie bei den Bahnhöfen in Schaan, Nendeln und Schaanwald.
Seit Inkrafttreten des schweizerisch-liechtensteinischen Zollvertrags bewacht das schweizerische Grenzwachtkorps die liechtensteinischen Grenzen zu Österreich, die dadurch zur Aussengrenze des schweizerischen Zollgebiets wurden. An die Stelle der liechtensteinischen Grenzwächter traten Schweizer Zollbeamte, die zwar in Liechtenstein wohnten, ihren zivilrechtlichen Wohnsitz aber in der Schweiz beibehielten. Als Angestellte des Schweizer Grenzwachtkorps werden sie von der Schweiz angestellt und bezahlt. Die Kosten für die Errichtung von Zollhäusern sowie die Bereitstellung erster passender Unterkünfte für die Zollbeamten besorgte 1924 Liechtenstein.
Gerade der Frage der Bewachung der liechtensteinischen Grenzen war in den Verhandlungen zum Abschluss des Zollvertrags grosses Augenmerk geschenkt worden. Dabei hatten insbesondere die Eidgenössische Zolldirektion sowie ihre kantonalen Untersektionen auf unterschiedliche Schwierigkeiten hingewiesen: Der Rhein galt in den Augen der schweizerischen Behörden als einfacher zu bewachende Grenze als das an Österreich angrenzende Liechtensteiner Gebirge. Der dafür notwendige Personalaufwand wurde als hoch eingeschätzt, der gerade in den Kriegsjahren in Liechtenstein intensiv betriebene Schmuggel als weiterer Kritikpunkt aufgeführt. Die Gegner des Zollvertrags sahen in der Verlegung der Grenze deshalb ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für die Schweiz.
Nach mehreren Besuchen vor Ort revidierte die Eidgenössische Zolldirektion jedoch ihre Meinung. Sie erkannte, dass der Rhein keineswegs eine undurchdringliche Grenze für den illegalen Waren- und Personenverkehr darstellte. Hinzu kam die Feststellung, dass der Grossteil des Gebirges unwegsam und schwierig passierbar war, gerade im Winter. Neben den Drei Schwestern galten auch das Saminatal, das Mattajoch und das Sareiserjoch als begehbare Zollgrenzen. Dementsprechend wurden auch in Planken, Triesenberg und Steg Grenzwachtposten errichtet. In den Berggemeinden wurden insgesamt neun Zollbeamte stationiert, welche besonders während der schneefreien Sommermonate zur Grenzsicherung beitrugen.
Viele der 1924 gegründeten Grenzübergänge wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgelöst, so etwa 1972 der Grenzwachtposten im Steg. Derjenige in Schellenberg ist seit 1987 nicht mehr besetzt. Zugpassagiere werden inzwischen am Grenzbahnhof Buchs abgefertigt. Auch das Zollamt Schaanwald ist heute nicht mehr während 24 Stunden besetzt.
Literatur
Burgmeier, «Schmuggel», in: eHLFL.
Leipold-Schneider, «Grenzwache», in: eHLFL.
Leipold-Schneider, «Grenzübergänge», in: eHLFL.
Quaderer-Vogt, Bewegte Zeiten, 2014.
Strasser/Marquardt, «Grenzen», in: eHLFL.